„Ich sitze auf meinem Balkon und ärgere mich“

Über soziale Spannungen, Vorurteile und gefühlte Ungerechtigkeit im Stadtteil Am Schlaatz

Gute Nachbarschaft? Im Plattenbau leben die Menschen dicht beieinander - und sind sich zugleich oft erschreckend fremd. Foto: Tina Merkau

„Ich sitze auf meinem Balkon und ärgere mich“, so eine Anwohnerin während einer Informationsveranstaltung im Stadtteil Am Schlaatz. Thema war unter anderem die zunehmende Vermüllung des Wohnumfeldes, insbesondere durch Sperrmüll im öffentlichen Raum. In Potsdam ist es eigentlich unkompliziert: Jeder kann mehrmals im Jahr Sperrmüll kostenlos durch die STEP abholen lassen – direkt vor der Haustür. Trotzdem sammeln sich Woche für Woche rund vier Tonnen Sperrmüll allein im Schlaatz an. Müll und Integration wirken auf den ersten Blick wie zwei völlig verschiedene Themen. Beide haben jedoch etwas gemeinsam: Sie können im Alltag schnell zu Konflikten führen und sichtbar machen, wo Menschen an Grenzen stoßen. Seien es sprachliche, kulturelle oder nachbarschaftliche Themen. An scheinbar kleinen Alltagsproblemen entzünden sich oft größere Fragen des Miteinanders.

Die Wut vieler sogenannter „Alteingesessener“ entzündet sich weniger an der tatsächlichen Müllmenge als vielmehr an der Wahrnehmung, wer für diese Missstände verantwortlich sei. Schnell fallen dabei pauschale Zuschreibungen: „Das sind immer die Gleichen“, sagt die Anwohnerin, „wir wissen, wer das ist – alles Migranten und Geflüchtete.“

Diese Aussagen kulminieren in einer Erzählung, die viel über tiefsitzende Vorurteile offenbart:

„Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet und wenn ich auf meinem Balkon sitze und die Nachbarin sehe – eine Geflüchtete aus der Ukraine –, dann ärgere ich mich.“

Die implizite Annahme: Die Nachbarin arbeite nicht, lebe von staatlicher Unterstützung und das auf Kosten derjenigen, die „ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben“. Ob ein Gespräch zwischen den Nachbarinnen je stattgefunden hat? Unwahrscheinlich. Ob die Geflüchtete arbeiten darf oder kann? Offen. Doch allein der Anblick auf dem Balkon genügt, um Ressentiments zu wecken. Dass viele Geflüchtete aufgrund rechtlicher Einschränkungen gar nicht arbeiten dürfen, wird häufig übersehen. Auch die Zuschreibung „die leben von meinen Steuern“ ignoriert, dass z. B. die meisten Geflüchteten aus der Ukraine im Bürgergeld-Bezug strengen Auflagen unterliegen und viele aktiv nach Arbeit suchen.

Die britische Sozialanthropologin Mary Douglas zeigte bereits in den 1960er Jahren: Müll ist nicht einfach etwas „Schmutziges“ oder „Unbrauchbares“ an sich, sondern wird erst durch gesellschaftliche und kulturelle Zuschreibungen dazu gemacht. Etwas gilt als Müll, wenn es „am falschen Ort“ ist. Sauberkeit und Schmutz sind also keine objektiven Zustände, sondern soziale Kategorien (vgl. Douglas 1985 [1966]).

Die Kulturwissenschaftlerin Rosie Cox verweist darauf, dass diese Vorstellungen auch rassistisch und geschlechterbezogen geprägt sind. So wurde im 19. Jahrhundert das Konzept von „Reinheit“ mit Vorstellungen von Weißsein und europäischer Überlegenheit verbunden. Noch heute übernehmen weltweit oft Frauen mit Migrationsgeschichte und aus ärmeren Ländern schlecht bezahlte Reinigungs- und Pflegearbeiten. Die Nähe zu Schmutz ist also sozial und global ungleich verteilt (vgl. Cox 2016).

Auch in Deutschland zeigt sich: Der Umgang mit Müll wird zu einer Frage der sozialen Zugehörigkeit. Wer Müll „falsch“ trennt, gilt schnell als unsolidarisch oder sogar als „unzivilisiert“. Besonders oft trifft dieser Vorwurf marginalisierte Gruppen, etwa Geflüchtete (vgl. Thompson 1981: 25).

Müll ist damit weit mehr als Abfall: Er zeigt, wer als Teil der Gesellschaft gilt und wer nicht. Der Umgang mit Müll kann also zur Rechtfertigung von sozialem Ausschluss, Diskriminierung und Abwertung werden.

Gerade das Thema Müll wird in vielen Gesprächen mit Anwohnerinnen und Anwohnern emotional aufgeladen geschildert. Ein Mangel an direkter Kommunikation im Haus, bleibt oft unberücksichtigt. Wie aus Gesprächen hervorgeht, scheuen viele den direkten Austausch mit Nachbarinnen und Nachbarn. Stattdessen wird versucht, mit Aushängen an Müllhäusern, Hinweisschildern oder Flyern in Briefkästen auf Missstände hinzuweisen. Auch Vermieter und Stadtteilakteure bemühen sich um Aufklärung durch kommunikative Maßnahmen. Der Erfolg bleibt jedoch oft aus. Das Problem verlagert sich in die Alltagswahrnehmung: Am Ende sitzt man auf dem Balkon, ärgert sich über den Zustand im Müllbereich und fühlt sich im Stich gelassen.

Sozialer Unmut – Ausdruck von Neid?

Was steckt hinter diesen Gefühlen? Warum empört man sich über Menschen, die ihr Zuhause, ihre Existenz und ihre Angehörigen aufgrund von Krieg oder Verfolgung verloren haben? Warum scheint es nicht selbstverständlich zu sein, dass Geflüchtete in Deutschland sicher wohnen, versorgt werden und dadurch überhaupt erst eine Grundlage für ein neues Leben erhalten?

Sozialneid bedeutet: Man ärgert sich darüber, dass andere etwas haben, was man selbst gern hätte und glaubt, es genauso verdient zu haben. Das kann sich auf Geld, Wohnraum, Anerkennung oder auch soziale Leistungen beziehen. Dieses soziale „Wettbewerbsspiel“ führt dazu, dass Menschen sich ständig wechselseitig ein-, wert- und abschätzen (vgl. Rousseau/Nullmeier 2000).

Vor allem in sozial angespannten Stadtteilen prallen die Integrationsziele der Stadt und die Wahrnehmung in der Nachbarschaft oft aufeinander. Foto: Tina Merkau

Der Soziologe Max Scheler unterschied zwischen Neid und dem sogenannten Ressentiment (vgl. Scheler 1978 [1912]): Neid ist meist direkt und richtet sich auf eine bestimmte Person oder Sache: „Ich will das haben, was du hast.“ Ressentiment ist ein tieferes und dauerhafteres Gefühl, das entsteht, wenn Menschen sich ständig benachteiligt fühlen, aber nichts daran ändern können. Es ist oft verbunden mit dem Gefühl, dass das Leben ungerecht ist. Auch der bekannte Philosoph John Rawls sagte: Neid entsteht nicht unbedingt durch echte Ungerechtigkeit, sondern oft dadurch, dass man glaubt, man hätte etwas verdient, das andere bekommen (vgl. Rawls 1979/Leach 2008).

Statt Mitgefühl begegnet ihnen oft Missgunst

„Die kommen zu uns, weil sie hier nicht arbeiten müssen“, heißt es dann. Oder: „Warum wohnen die nicht in Polen?“

Diese Aussagen offenbaren nicht nur ein verzerrtes Bild über Migrationsbewegungen, sondern auch eine tief verankerte Erwartung: Wer Hilfe erhält, soll sich demütig verhalten. Am besten sichtbar ärmer leben als jene, die keine staatliche Unterstützung bekommen.

Der Blick auf geflüchtete Menschen in Neubauten, etwa im Wieselkiez, wo moderne Holzhybridbauten kommunalen Wohnraum für Wohnungslose und Geflüchtete bieten, provoziert besonders starke Reaktionen:

„Wieso wohnen die im Neubau?“

So lautet eine häufige Klage von Mietern im gegenüberliegenden Plattenbau aus DDR-Zeiten. Dahinter steckt die Überzeugung: Wer nichts hat, verdient auch keine gute Wohnung.

Dabei ist der Hintergrund des Neubaus differenziert zu betrachten:

Im Rahmen des Sonderbauprogramms der ProPotsdam im Auftrag der Landeshauptstadt Potsdam wurden stadtweit insgesamt 450 neue Wohnungen geschaffen, unter anderem in den Stadtteilen Stern, Schlaatz, Waldstadt II und Golm (vgl. Stadt Potsdam 2024a).

Am Schlaatz, im Wieselkiez, entstanden 50 barrierefreie Wohnungen mit Loggien oder Balkonen in zwei gespiegelten fünfgeschossigen Gebäuden im KfW-40-Energiestandard. Der Baustart war im Oktober 2023, im Juli 2024 wurde der Schlüssel an die Landeshauptstadt übergeben. Diese ist nun selbst Mieterin und hat mit der ProPotsdam einen Generalmietvertrag über 30 Jahre abgeschlossen. Ein Modell, das öffentliche Unterbringung langfristig absichert soll.

Der Wohnverbund wurde zunächst durch den DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg e. V. betreut und wird seit Frühjahr 2025 von der Soziale Stadt ProPotsdam gGmbH weitergeführt. Die Bewohner erhalten nicht nur einen guten wohnungsähnlichen Standard, sondern auch Zugang zu Beratung und Begleitung. Ein sozialer und baulicher Standard, der beispielhaft für moderne kommunale Wohnraumversorgung steht (vgl. MAZ 16.02.2025).

„Die kommen zu uns, weil sie hier nicht arbeiten müssen“, heißt es dann.

Diese Unterkünfte sind Teil eines bewussten Strategiewechsels: Die Landeshauptstadt Potsdam verfolgt das Ziel, mehrere kleinere Gemeinschaftsunterkünfte dezentral im Stadtgebiet zu realisieren, um die Integration zu erleichtern und Segregation zu vermeiden.

Ziel ist es, Geflüchtete zügig auf ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung vorzubereiten. Sozialpädagogische Betreuung, Zielvereinbarungen und begleitende Angebote wie Sprachkurse sollen dabei unterstützen. Allerdings bleibt die Wohnraumvermittlung herausfordernd, vor allem angesichts des angespannten Wohnungsmarkts im unteren Preissegment. In diesem Bereich konkurrieren Geflüchtete mit anderen bedürftigen Gruppen: wohnungslosen Menschen, Haushalten mit geringem Einkommen oder Empfängern von Leistungen nach SGB II/XII (vgl. Stadt Potsdam 2024b).

Gerade in sozial angespannten Stadtteilen prallen die Integrationsziele der Stadt und die Wahrnehmung in der Nachbarschaft oft aufeinander. Ressentiments entstehen nicht nur gegenüber Geflüchteten, sondern auch gegenüber allen, die als vermeintlich besser gestellt gelten, sei es durch den Einzug in neu gebaute oder sanierte Wohnungen oder den Zugang zu bestimmten Sozialleistungen. Die subjektive Wahrnehmung, etwas zu verdienen, das anderen scheinbar leichter zufällt, wird zum Motor für Unmut und Abwertung. Dabei ist nicht entscheidend, ob diese Wahrnehmung faktisch richtig ist. Entscheidend ist, dass sie emotional wirksam wird.

So kann aus einem strukturell geplanten Integrationsschritt, dem Umzug in eine eigene Wohnung, vor Ort ein Auslöser für Abwehr werden. Das Ziel der Stadt, durch gezielte Unterstützung und Wohnungsvermittlung Integration zu fördern, trifft hier auf emotionale Barrieren, die allein durch Verwaltungsmaßnahmen wahrscheinlich kaum abgebaut werden können.

Relativer Ausschluss: Armut ist ein Vergleichsphänomen

Die Soziologen Jürgen Friedrichs und Sascha Triemer sprechen in diesem Zusammenhang von relativer Deprivation: In einem reichen Land wie Deutschland ist Armut meist nicht absolut, da das Existenzminimum gesichert ist. Aber das Gefühl, ausgeschlossen zu sein von Wohlstand, Anerkennung und Teilhabe, entsteht immer im Vergleich zu anderen.

Das Leben in einem strukturell benachteiligten Stadtteil wie dem Schlaatz, umgeben von den Wohlstandsinszenierungen Potsdams, verstärkt dieses Gefühl. Wer arm ist, sieht ständig, was er oder sie nicht hat. Und: Die Konzentration von einkommensarmen Menschen in solchen Stadtteilen überschneidet sich häufig mit einem hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Dadurch entsteht schnell eine Verknüpfung von „fremd“ und „sozial schwach“, was weitere Vorurteile begünstigt (vgl. Friedrichs/Triemer 2009).

Auch Ulfert Herlyn, Wulf Tessin und Adelheid von Saldern beschreiben, dass viele Großsiedlungen der 60er bis 80er Jahre in Ost und West ursprünglich als sozial durchmischte Quartiere geplant, mit der Zeit durch Entmischung, Rückzug besserverdienender Haushalte und Vernachlässigung von Infrastruktur zu Orten sozialer Benachteiligung wurden. Fehlen kulturelle Angebote, entstehen monotone Lebensräume. Ein idealer Nährboden für Frust, Isolation und Abwertung anderer (vgl. Herlyn/Tessin/von Saldern 1987).

Wenn Armut gegeneinander ausgespielt wird

Was wir im Schlaatz und ähnlichen Quartieren erleben, ist kein Einzelfall, sondern ein gesellschaftliches Muster: Sozialer Unmut wird häufig nicht nach „oben“, sondern nach „unten“ oder „außen“ gerichtet. Dabei könnte man auch fragen:

Warum regen wir uns nicht über Millionenvillen auf, die leer stehen, während Menschen obdachlos sind? Warum nicht über Unternehmen, die Steuervermeidung betreiben, statt über Geflüchtete, die staatliche Unterstützung erhalten?

Stattdessen richtet sich der Neid oft gegen die sichtbar Bedürftigen, besonders wenn diese „fremd“ erscheinen. Das erzeugt soziale Spannungen, die rassistisch oder diskriminierend aufgeladen werden können. Aus sozialer Ungleichheit wird so kulturelle Abwertung.

Die anderen haben es besser als ich. Ressentiments entstehen aus verschiedensten Gründen. Wer in einer unsanierten Platte wohnt, schaut argwöhnisch auf sanierte Blöcke (hier im Bild: der Potsdamer Stadtteil Drewitz). Foto: Adam Sevens

Menschen mit Migrationshintergrund sollen sich in die bestehende Gesellschaft eingliedern. Dabei geht man davon aus, dass es eine feste „deutsche“ Mehrheitsgesellschaft gibt, in die andere sich integrieren müssen, und zwar einseitig. Das Problem an diesem Denken: Es vernachlässigt die Rolle der Aufnahmegesellschaft. Damit Integration gelingt, müssen auch die Strukturen und Institutionen offen und zugänglich sein. Es reicht nicht, nur von Migranten zu erwarten, sich anzupassen. Auch die Gesellschaft muss sich bewegen, etwa durch Abbau von Barrieren oder durch Anerkennung kultureller Vielfalt. Stattdessen wird oft so argumentiert: Wenn Integration nicht klappt, liegt das an „kulturellen Unterschieden“ oder dem angeblich mangelnden „Willen zur Integration“. Strukturelle Hindernisse wie Diskriminierung, Ausschlüsse auf dem Arbeitsmarkt oder im Bildungssystem werden kaum benannt (vgl. Foroutan 2015).

Ein Perspektivwechsel kann helfen, gängige Narrative zur Integration zu hinterfragen. Oft wird gefordert, dass sich Zugewanderte an die „hiesige Kultur“ anpassen sollen, unter Berufung auf vermeintliche Selbstverständlichkeiten. Der Satz „Wenn wir Deutschen ins Ausland gehen, passen wir uns doch auch an“ wird häufig zur Begründung einseitiger Anpassungspflichten verwendet. Doch die Realität zeigt ein differenzierteres Bild: In vielen Ländern der Welt, etwa in Asien, bilden auch deutsche oder andere westliche Migrantengruppen eigene Wohnviertel, sogenannte „Expats-Kieze“, mit auf ihre Bedürfnisse ausgerichteter Infrastruktur. In großen Einwanderungsländern wie den USA gibt es seit jeher Stadtteile wie Chinatown oder Little Italy. Auch touristische Beispiele wie deutsche Bäckereien und Lokale auf Mallorca zeigen, dass die Suche nach kultureller Vertrautheit in der Fremde kein einseitiges Phänomen ist, sondern ein universales Bedürfnis.

Diese Beobachtung relativiert den oft erhobenen Anspruch vollständiger Anpassung und lenkt den Blick auf die strukturellen Bedingungen erfolgreicher Integration. Denn Integration ist kein einseitiger Prozess, sondern ein wechselseitiger. Damit sie gelingen kann, müssen auch aufnehmende Strukturen offen, zugänglich und unterstützend gestaltet sein. Gefordert ist nicht nur individuelle Bereitschaft zur Teilhabe, sondern auch institutionelle Bereitschaft zur Öffnung.

Was tun?

Was fehlt, ist Begegnung. Das beschriebene Beispiel der Anwohnerin zeigt: Es gab nie ein Gespräch mit der geflüchteten Nachbarin. Keinen Austausch. Keinen Blick hinter das Vorurteil. Keinen Versuch, zu verstehen. Maßnahmen zur Förderung von sozialer Durchmischung, interkulturelle Dialoge und diskriminierungsfreier Zugang zu Wohnraum, Bildung und Beschäftigung werden somit immer wichtiger. Denn Integration ist keine Einbahnstraße. Sie beginnt im Alltag, im Gespräch, auf dem Flur, auf dem Balkon.

Der Blick auf den Schlaatz zeigt exemplarisch, wie sich soziale Spannungen, Vorurteile und das Gefühl relativer Benachteiligung zu einem explosiven Gemisch aus Frust, Abwertung und Ausgrenzung verdichten können. Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte sowie Zuschreibungen wie „unsolidarisch“ oder „nicht integrationswillig“ können dabei als Ventil für soziale Unzufriedenheit dienen, unabhängig von der tatsächlichen Lebenslage der Betroffenen. Der Umgang mit Müll, Wohnverhältnissen und Integration wird so zu einem Symbolfeld, in dem Zugehörigkeit und Ausschluss verhandelt werden.

Müll wird dabei nicht nur als sichtbares Problem erlebt, sondern symbolisiert tieferliegende Konflikte über Zugehörigkeit, Anerkennung und soziale Gerechtigkeit. Vor allem Geflüchtete geraten schnell ins Visier von Ressentiments. Die Diskussion um Müll und Wohnverhältnisse zeigt exemplarisch, wie gesellschaftliche Konflikte um Teilhabe, Gerechtigkeit und Anerkennung ausgetragen werden. Gleichzeitig wird deutlich, dass strukturelle Faktoren wie Wohnungsknappheit, mangelnde Durchmischung und fehlende Kommunikationsräume zur Verstetigung solcher Spannungen beitragen können. Auch Vermieter und Stadtteilakteure bemühen sich um Aufklärung. Dennoch bleibt der erhoffte Erfolg aus – und am Ende sitzen manche auf ihrem Balkon und ärgern sich. Eine integrative Stadtentwicklung muss deshalb mehr leisten als bauliche Maßnahmen. Sie muss gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, Diskriminierung abbauen und den sozialen Dialog stärken. Nur so kann ein Stadtteil wie der Schlaatz zu einem Ort werden, an dem Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Chance verstanden wird. Dazu braucht es geeignete Veranstaltungen und Formate, die Begegnung und Austausch ermöglichen. Ansätze gibt es im Rahmen des Städtebauförderungsprogrammes „Soziale Stadt“ bereits, wie sich jedoch zeigt, reichen diese immer noch nicht aus. Zwar können Programme und Formate Anreize von außen schaffen, die Rolle der inneren Haltung eines jeden einzelnen bleibt dabei jedoch eher unberührt.

Literaturverzeichnis

  • Cox, Rosie (2016): Cleaning up: Gender, Race and Dirty Work at Home. In: Lewe, Christiane / Othold, Tim / Oxen, Nicolas (Hrsg.): Müll. Interdisziplinäre Perspektiven auf das Übrig-Gebliebene. Bielefeld, S. 97–116.
  • Douglas, Mary (1985): Reinheit und Gefährdung. Berlin (engl. Original: Purity and Danger, 1966).
  • Foroutan, Naika (2015): Die postmigrantische Gesellschaft. Bundeszentrale für politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/205190/die-postmigrantische-gesellschaft/ (abgerufen am 05.08.2025).
  • Friedrichs, Jürgen / Triemer, Sascha (2009): Gespaltene Städte? Soziale und ethnische Segregation in deutschen Großstädten. Wiesbaden.
  • Herlyn, Ulfert / Tessin, Wulf / von Saldern, Adelheid (1987): Die Neubausiedlungen der Sechziger/Siebziger Jahre. In: Dies. (Hrsg.): Neubausiedlungen der 20er und 60er Jahre. Ein historisch-soziologischer Vergleich. Frankfurt/New York, S. 75–126.
  • Leach, Colin Wayne (2008): Envy, Inferiority and Injustice. Three Bases of Anger About Inequality. In: Smith, Richard H. (Hrsg.): Envy. Theory and Research. Oxford.
  • MAZ (2025): Pro Potsdam übernimmt Betrieb von neuen Flüchtlingsheimen. MAZ online, 16.02.2025. URL: https://www.maz-online.de/lokales/potsdam/pro-potsdam-tochter-soziale-stadt-ggmbh-uebernimmt-fluechtlingsheime-IMYLHMRU2JESRE7H2WY2HHMELQ.html (abgerufen am 05.08.2025).
  • Scheler, Max (1978 [1912]): Das Ressentiment im Aufbau der Moralen. Hrsg. von Manfred S. Frings. Frankfurt/M.
  • Stadt Potsdam (2024a): Zweites Projekt des Sonderbauprogramms umgesetzt – Symbolische Schlüsselübergabe der ProPotsdam GmbH an die Stadtverwaltung. Pressemitteilung Nr. 318 vom 25.07.2024. URL: https://www.potsdam.de/de/318-zweites-projekt-des-sonderbauprogramms-umgesetzt-symbolische-schluesseluebergabe-der-propotsdam (abgerufen am 05.08.2025).
  • Stadt Potsdam (2024b): Potsdams Unterkünfte für Geflüchtete im Überblick. URL: https://www.potsdam.de/de/potsdams-unterkuenfte-fuer-gefluechtete-im-ueberblick (abgerufen am 05.08.2025).
  • Thompson, Michael (1981): Die Theorie des Abfalls. Über die Schaffung und Vernichtung von Werten. Stuttgart.
  • Rousseau, Jean-Jacques (1993 [1755]): Diskurs über die Ungleichheit. Kritische Ausgabe, hg., übers. u. komm. von Heinrich Meier. Paderborn.
  • Nullmeier, Frank (2000): Politische Theorie des Sozialstaats. Frankfurt/M.–New York.

Autor:in des Artikels

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Josephine Braun

Als Projektmanagerin koordiniert sie den Arbeitskreis StadtSpuren und bringt ihre Expertise in Stadtentwicklung, Beteiligung und Wohnen ein. In der Projektkommunikation navigiert sie souverän durch komplexe Stadtentwicklungsprozesse und wohnungspolitische Diskurse – mit Durchhaltevermögen, Klarheit und strategischem Blick.

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