DER
HAGE
NAUER

Hagenau im Tagebau

Unser Kollege Julius Sonntag berichtet vom Team-Tag in der Lausitz

Einer der Fahrgäste stößt einen schrillen Schrei aus: Wie ein wankendes Schiff auf stürmischer See wackelt der Mannschaftstransportwagen über die Zufahrt immer weiter Richtung Abgrund. In kurzen Abständen werden wir durch heftige Stöße in unseren Sitzen durchgeschüttelt. Zu unserer Sicherheit tragen wir weiße Schutzhelme. Aber was helfen die noch, wenn man 100 Meter in die Tiefe stürzt?

Foto: Julius Sonntag

Es ist Freitag, der 14. Oktober, 14 Uhr: Team-Tag im Lausitzer Seenland. Wir, die „Hagenauer“, fahren zusammen in die Grube. Bei jedem Ruckeln halten wir uns an den Rückenlehnen des Vordersitzes fest. Sicher ist sicher. Währenddessen steht unser Gästeführer Bodo mit beeindruckender Balance zwischen den Sitzen und versucht gegen den Lärm des LKW anzureden. Bodo war früher selbst einer der Kumpel im Tagebau Welzow-Süd. Er weiß, wovon er spricht.

Foto: Julius Sonntag
Foto: Julius Sonntag

Rund 700 Kumpel arbeiten hier im Dreischichtsystem, um das nahegelegene Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe mit Energie zu versorgen. 10 % der gewonnenen Energie fließt in den Tagebau zurück und hält die Förder-Maschinen am Laufen. Bis zu 20 Millionen Tonnen Braunkohle werden jedes Jahr in Welzow gefördert.

Möglich machen das gigantische Bagger und Abraumförderbrücken vom Typ F60. Seit beinahe 50 Jahren steht ein solches Stahlmonstrum hier in Welzow Süd; eine der größten beweglichen technischen Arbeitsmaschinen der Welt, wie uns Bodo erklärt. Man kann schon ehrfürchtig werden bei diesem Anblick. Und man versteht etwas mehr vom Stolz der Kumpel – und von ihrer Skepsis gegenüber der Energiewende.

Foto: Carolin Brüstel

Wir fahren weiter bis zum Grund der Grube. Neben einem riesigen Schaufelradbagger kommt der Mannschaftstransportwagen zum Stehen. Hinter unserem LKW bleibt eine Kohlestaubwolke in der Luft zurück. Wie ein dunkler Nebel schwebt die aufgewirbelte Kohle für einen Moment über der zerklüfteten Mondlandschaft der Fördergrube. Bodo erzählt uns, wie die Kohle hier vor rund 15 Millionen Jahren entstanden ist und erklärt uns ihre chemische Zusammensetzung. Wer möchte, darf ein Stück mitnehmen. Ein Stück Erdgeschichte.

Seit seiner Gründung hätten dem Tagebau Welzow-Süd 14 Dörfer weichen müssen. Über 3000 Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Die Kraterlandschaft, die der Kohleabbau hinterlässt, soll Stück für Stück renaturiert werden. Doch die Zurückgewinnung der Landschaft ist ein Prozess von Jahrzehnten. „Es gibt nichts Vollkommenes auf dieser Welt“, räumt Bodo ein.

Vier Stunden zuvor: Unser kleiner weißer Reisebus mit der Aufschrift „Grüße aus Potsdam“ hält an den IBA-Terrassen in Großräschen. Hier treffen wir Peter, unseren Reiseführer für diesen Tag. Er zeigt uns zunächst das Besucherzentrum Lausitzer Seenland, das direkt am Großräschener See liegt. Es ist ein künstlicher See, entstanden aus der Flutung der Grube des ehemaligen Tagebaus Meuro.

Peter ist ein Lausitzer Urgewächs. Seit fast 80 Jahren lebt er hier, das Seenland kennt er wie seine Westentasche. Man merkt ihm an, dass er hier verwurzelt ist. Peter erzählt uns, welche Bedeutung die Braunkohle damals für die Region besaß; und zum Teil heute noch besitzt. Welche Tagebaue inzwischen zu Seen geworden sind und welche Pläne es für die Zukunft gibt. Auf alten Fotos zeigt er uns, wie es hier früher ausgehen hat. „Was mal war gewesen“ – wie es Peter ausdrückt.

Foto: Carolin Brüstel

 

Besucherzentrum Lausitzer Seenland in Großräschen. Rechts im Bild: der Großräschener See, ehemaliger Tagebau. Foto: Julius Sonntag

Am liebsten möchte er uns zu jedem See und jedem Haus führen, jede Geschichte erzählen. Es gibt so viel hier, was man sehen und wissen sollte! Aber wir haben ein straffes Programm und keine Zeit zu verlieren. Unser Busfahrer drückt aufs Gaspedal, und wir rasen über die Landstraßen, vorbei an den ehemaligen Tagebauen, durch (inzwischen) blühende Landschaften. Die Renaturierung des Lausitzer Braunkohlereviers ist ein gewaltiges Projekt. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll hier Europas größte künstliche Wasserlandschaft entstehen. Wir bekommen eine Ahnung davon, was das bedeutet.

Die Hagenauer vor den schwimmenden Häusern in Geierswalde. Foto: Peter Weiser

 

Die letzte Station unseres Ausflugs führt uns nach Altdöbern. Im Café „Schauwerk“ riecht es nach frischem Brot und Räucherforellen. Am Tresen kann man aus einem umfangreichen Sortiment Backwaren und Torten auswählen. Sogar Eis gibt es hier. Im Nebenraum, angrenzend an die Schaumanufaktur, sitzen einige Gäste und essen geräucherten Fisch mit Brot und Kräuterbutter.

Wir sind mit Marie Läser verabredet. Sie kommt hier aus dem Ort, entstammt einer Konditoren-Familie und hat mit dem Café einen lang gehegten Traum verwirklicht: In den Räumlichkeiten eines ehemaligen Antikwarenhandels am Markt hat im Mai 2020 das „Schauwerk“ eröffnet. Es sei ein harter Weg gewesen, sagt Läser, inzwischen habe sich das Café jedoch etabliert und zu einem beliebten Treffpunkt für Einheimische und Touristen entwickelt. Auf ihrem Schoß sitzt ihre kleine Tochter und schaut mit großen Augen in die Runde der Hagenauer. Wird sie eines Tages die Konditoren-Dynastie fortsetzen?

Hat viel zu bieten: das Café Schauwerk in Altdöbern. Foto: Julius Sonntag
Morbider Charme im Schlosspark von Altdöbern. Foto: Julius Sonntag

Draußen beginnt es zu dämmern. Wir verlassen das „Schauwerk“ und spazieren zum Schlosspark. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Wir genießen die Ruhe und staunen über die verfallenen Gebäude, die rund um das Schloss im Park versteckt sind. Auf den Wegen liegt Laub. Für einen Moment sind wir wieder Kinder und pflügen mit unseren Füßen durch die Blätter.

Es gibt nichts Vollkommenes auf dieser Welt, hatte Bodo gesagt. Hier glaubt man kurz das Gegenteil.

 

Wie können wir Ihnen helfen?

Projektkommunikation Hagenau GmbH
Büro für Kommunikation und Projektentwicklung

Hegelallee 3
14467 Potsdam

T +49 (331) 201 96 0
F +49 (331) 201 96 19

info@projektkommunikation.com
www.projektkommunikation.com